AllgemeinExpress yourself – die Anfänge der Künstlergruppe „Die Brücke“ mit Fokus auf Fritz Bleyl

Express yourself – die Anfänge der Künstlergruppe „Die Brücke“ mit Fokus auf Fritz Bleyl

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s waren einmal 4 Studenten, denen 1905 die Kunstlandschaft zu engstirnig war und die daraufhin beschlossen, das zu ändern. Der Gestaltungsdrang gab den Ausschlag, die Künstlergruppe „Die Brücke“ zu gründen. Sie bestand nur bis 2013, aber sie veränderte die Kunstwelt für immer!

Zunächst waren nur Fritz Bleyl und Ernst Ludwig Kirchner befreundet. Sie lernten sich, wie man in der aktuellen Ausstellung des Brücke Museums erfahren kann, in einem gemeinsam besuchten Kurs für Geometrie kennen. Beide studierten Architektur in Dresden. Viel lieber hätten sie Kunst studiert, was jedoch aufgrund des bürgerlichen Hintergrunds nicht möglich war. Stattdessen versuchten sie, ihre Leidenschaft für die Malerei auszuleben, indem sie u.a. Zeichenabende organisierten. Gleichgesinnte, fanden sie zunächst in Erich Heckel, der ihnen dann später Karl Schmidt aus Rottluff vorstellte, aus dem ab 1905 der Künstlername Karl Schmidt-Rottluff werden sollte. …der Rest ist Geschichte!

1905 gründeten sie gemeinsam die Künstlergruppe „Die Brücke“.

Ernst-Ludwig Kirchner, Signet der Künstlergruppe, Holzschnitt, 1905 ©Brücke Museum Berlin
Fritz Bleyl, Augustusbrücke in Dresden mit Frauenkirche, Kohle und Kreide, 1905 ©Bleyl, Berlin/Solingen

Der Ursprung des Namens ist nicht vollständig geklärt, stattdessen gibt es mehrere Mutmaßungen:

Zum einen soll der Name auf Schmidt-Rottluff zurückgehen, der das Wort so „vielschichtig“ fand, daß man damit nicht wirklich etwas verbinden konnte, weder einen Kunststil noch eine Haltung.

Da Brücken jedoch von einem Ufer zum nächsten führen, könnte damit ein Aufbruch zu „neuen Ufern“ ausgedrückt werden, schrieb Heckel später in seinen Erinnerungen. Die alte Dresdener Augustusbrücke, von der u.a. Kirchner einen Holzschnitt angefertigt hatte und die für alle Vier ein künstlerisches Motiv war, könnte eine weitere Erklärung für den Namen sein.

…oder auch aufgrund des von allen intensiv gelesenen Werkes „Also sprach Zarathustra“ von Nietzsche und seinen darin geäußerten philosophischen Impulsen.

„Was groß ist am Menschen, das ist, dass er eine Brücke und kein Zweck ist: was geliebt werden kann am Menschen, das ist, das er ein Übergang und ein Untergang ist.“ (Friedrich Nietzsche)
Die Brücke-Mitglieder waren vom vorherrschenden Kunstgeschmack unter Kaiser Willhelm II gelangweilt und fanden Inspiration in der aufkommenden modernen Kunst des französischen und deutschen Impressionismus, dem Zeitgeist des Jugendstils sowie der Arts and Crafts Bewegung und des Art Nouveau. Foto oben: Ernst Ludwig Kirchner, 7. Juni 1905 Gründungsdokument der Brücke, Tusche, ©Brücke Museum Berlin

Die aktuelle Ausstellung, die noch bis 4. Juni läuft, ist der dritte und letzte Teil, einer Ausstellungs“Serie“, die sich diesmal ausschließlich mit den Anfängen und besonders dem Gründungsjahr 1905 befaßt. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Fritz Bleyl.

Fritz Bleyl, Bauernhaus am Hang (1907), ©Bleyl, Berlin/Solingen
Holzschnitt von Fitz Bleyl ©kischreport

Bleyl, der nach nur 2 Jahren die Gruppe wieder verließ, war für viele der anfänglichen Druckgraphiken verantwortlich, die rund um die Vermarktung der Künstlergruppe und für die Geschäftspapiere entstanden. Anders als die anderen Künstler schloß er zunächst sein Architekturstudium ab und arbeitete hauptberuflich als Lehrer an einer Privatschule, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Auch später, nach seinem Austritt aus der Brücke, war er in verschiedenen Architekturbüros angestellt. 1916 promovierte er bei Cornelius Gurlitt*, dem Großvater des 2012 in die Schlagzeilen gekommenen Kunstsammlers. Bleyl blieb länger als die anderen Künstlermitglieder seinem anfänglichen Stil des Pointilismus treu, widmete sich vor allem der Druckgrafik und befaßte sich, im Gegensatz zu seinen Mitstreitern, überhaupt nicht mit Ölmalerei. Durch das frühe Ausscheiden aus der Künstlervereinigung und da er den weiteren expressionistisch geprägten Weg mit seinen Künstlerkollegen nicht mehr ging, blieb sein Werk häufig eher im Hintergrund.

Details der Ausstellung; Bild oben: Druckstock für den Holzschnitt von Karl Schmidt-Rottluff, Bäume im Winter, 1905; Bild rechts: Holzschnitt ©kischreport

Fritz Bleyl, Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel organisierten zusammen zahlreiche Ausstellungen, insgesamt sollten es über 70 werden. Von Anfang an ging die Gruppe dabei sehr strategisch vor, um ihre Arbeiten und ihr Künstlerdasein zu vermarkten und zu finanzieren. Dies geschah beispielsweise über passive Mitglieder, deren Mitgliedskarten in der Ausstellung gezeigt werden. Für einen Jahresbeitrag von 12 Mark erhielten diese Mitglieder Originalgrafiken der Künstler. Ferner gab es Kunstmappen mit Druckgrafik und Einladungen für die Ausstellungen. Eines der passiven Mitglieder war die Hamburger Kunsthistorikerin Rosa Schapire, von der sich in der Ausstellung ein Ölgemälde von Karl Schmitt-Rottluff befindet. Sie war eine wichtige Förderin der Brücke, erstellte deren Werkverzeichnisse und schrieb mit den Malern Postkarten und Briefe.

Foto links: Mitgliedsausweis für passive Mitglieder, Foto oben: diverse Entwürfe für die Künstlermappe von Bleyl und Heckel, ©kischreport;  Um das beste Ergebnis zu erreichen, wurden innerhalb der Brücke die Entwürfe für die Ausstellungsplakate und -werbung als „Wettbewerb“ inszeniert, wobei am Ende der beste Entwurf gedruckt wurde.
Einladungskarte von Kirchner, 1906, ©kischreport
Rosa Schapire, gemalt von Karl Schmitt-Rottluff, ©kischreport

Von Anfang an wurden von der Brücke aktiv andere Künstler angeschrieben, der Künstlergruppe ebenfalls beizutreten. So folgten den vier Gründungsmitgliedern u.a. auch Emil Nolde, Max Pechstein, Kees van Dongen oder Otto Mueller.

„Gut ausgeleuchtet“

Sehr unkonventionell und auch unter heutigen Umständen mit einem sehr modernen Konzept, inszenierte die Brücke ihre erste Ausstellung 1906 in der Lampenfabrik Seifert. Die französichen Impressionisten hatten bereits ungewöhnliche Locations für Ihre Ausstellungen etabliert, so daß die Brücke, beeindruckt davon, dieses avangardistische und vor allem kostenfreundliche  Konzept übernahmen. Obgleich die Besucherzahl dieser Ausstellung in der Lampenfabrik hinter den Erwartungen der Brücke zurückblieb, war die Ausstellung der Auftakt zu einer ganzen Reihe weiterer Ausstellungsbeteiligungen, auch über die Grenzen Dresdens hinaus und gilt zumindest im Nachhinein als erster Meilenstein.

Die Ausstellungshalle der Lampenfabrik Seifert als Wandprojektion in der aktuellen Ausstellung

Ein Bestandteil der Ausstellung und ausdrücklich erwünscht sind Fragen. Wie groß ist das größte Bild? (in der aktuellen Ausstellung Emil Noldes „Jägers Haus auf Alsen“ mit 73x88cm bzw. Kirchners „Frauen im Bade“ (nicht Teil der derzeitigen Ausstellung) mit 150,5x200cm) Wo ging Bleyl zur Schule? Welches Holz wurde für die Holzschnitte verwendet? (meist Fichtenholz)…usw. Eine große Pinwand lädt ein Fragen zu stellen und gibt gleichzeitig ausführlich Antwort auf bereits gestellte Besucherfragen!

"...wer nicht fragt, bleibt dumm"
Fotos: ©kischreport

 

 

 

 

Nachtrag: *Dem Enkel Cornelius Gurlitts wurde 2012 zu Unrecht vorgeworfen, die Sammlung seines Vaters Hildebrand Gurlitt sei unter ethisch unrechtmäßigen Umständen in den Wirren den 2. Weltkriegs in den Besitz des Vaters und schließlich in seinen Besitz gelangt. Das Auftauchen eines Bildes und schließlich der gesamten Sammlung gleicht einem Krimi, dessen tragische Hauptrolle der Enkel Gurlitts war. 2012 wurde die Sammlung von der Staatsanwaltschaft Augsburg beschlagnahmt, gegen Gurlitt wurde ermittelt und ihm durch das Amtsgericht München „aus gesundheitlichen Gründen ein vorläufigen Betreuer“ zugewiesen. In der Öffentlichkeit entstand das Bild einer unrechtmäßigen Aneignung „entarteter Kunst“ durch den Vater Hildebrand Gurlitt, dem der damals über 80-Jährige vehement widersprach. Die Bilder bezeichnete er als die „Liebe seines Lebens“. Gurlitt starb am 6. Mai 2014 aufgrund einer schweren Herzerkrankung in München. Noch zu Lebzeiten stimmte Gurlitt einer Provenienzforschung zu, innerhalb eines Jahres sollten vermeintlich belastende Werke geprüft und im Falle eines Vergehens ggf. „fair und lösungsorientiert“ zurückgegeben werden. Wenige Tage später hob die Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme auf, da sich neue Erkenntnisse ergeben hätten und die rechtliche Situation neu bewertet worden sei.(Frankfurter Allgemeine Zeitung. 9. April 2014, abgerufen am 12. Mai 2014) Im Nachhinein erwiesen sich die Vorwürfe als nicht haltbar. Die Ermittlungen wurde mit dem Tod Gurlitts eingestellt. Das Kunstmuseum Bern wurde Erbe der Sammlung. Der Erhalt der mehr als 1500 Werke wurde vom Stiftungsrat und der Direktion des Museums bigott als „einerseits dankbar und freudig überrascht“ kommentiert, gleichzeitig wurde jedoch eine „Fülle schwierigster Fragen“ betont, die ihnen dieses Testament aufbürde, „insbesondere rechtlicher und ethischer Natur“. Gleichwohl wurde der Nachlaß Gurlitts angetreten.

Wo?

Brücke-Museum

Bussardsteig 9, 14195 Berlin

Wann?

nur noch bis zum 04. Juni 2023

Öffnungszeiten

Mittwoch-Montag 11-17 Uhr, Dienstags geschlossen

Jeden 3. Donnerstag im Monat 11-20 Uhr

Eintritt?

6 Euro, ermäßigt 4 Euro

Infos?

http:// bruecke-museum.de

Titelbild: Fritz Bleyl, Der Pelikan, 1904, Farbholzschnitt, Brückemuseum ©Bleyl, Berlin/Solingen